Es könnte tatsächlich ein Feiertag des Sprints werden. Wenn beim 35. Ludwig-Jall-Sportfest im Münchner Dantestadion, das zum ersten Mal als internationales World Athletic Meeting kategorisiert ist, die schnellen Frauen und Männer in die Startblöcke steigen, dann versprechen schon allein die bislang gemeldeten Namen pfeilschnelle Zeiten. Da in München die Laufrichtung bekanntlich den aktuell vorherrschenden Windverhältnissen angepasst werden kann, dürfen die Sportlerinnen und Sportler auf Rückenwind hoffen. Nun muss nur noch das Wetter mitspielen, um Topzeiten für das diesjährige Top-Meeting in der Landeshauptstadt zu ermöglichen.
Interessant dürfte dabei vor allem sein, wie sich die Sprinterinnen und Sprinter der gastgebenden LG Stadtwerke München gegen die starke nationale und internationale Konkurrenz schlagen. Eine der prominentesten Teilnehmerinnen des Ludwig-Jall-Sportfestes 2022 hat für die 100 Meter gemeldet: Alexandra Burghardt (LG Gendorf Wacker Burghausen) bestreitet nach ihrer furiosen Silbermedaille im Zweierbob bei den Olympischen Winterspielen mit Mariama Jamanka ihren ersten Wettkampf in ihrer vertrauten Sportart Leichtathletik. Die 28-jährige amtierende Deutsche Doppelmeisterin über 100 und 200 Meter brachte das Kunststück fertig, innerhalb weniger Monate sowohl bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio wie auch bei den Winterspielen in Peking teilzunehmen. In München dürfte es spannend werden, zu verfolgen, in welcher Form Burghardt auf die Tartanbahn zurückkehrt. Mit ihrem Hausrekord von 11,01 Sekunden aus dem vergangenen Jahr bietet sie jedenfalls die schnellste Meldezeit auf.
Konkurrenz ist auf jeden Fall von den beiden Jamaikanerinnen Jura Levy (11,06 Sekunden), Shian Hyde (11,27 Sekunden) sowie der Schweizerin Sarah Atcho (11,20 Sekunden) zu erwarten. Im Sog der internationalen Starter hoffen die LGSWM-Starterinnen Tina Benzinger und Marina Scherzl erneut auf gute Zeiten, während die U20-Jugendliche Hannah Fleischmann nach langer Verletzungspause über 100 Meter ihr Comeback feiert. Über 200 Meter gilt Atcho mit ihren fulminanten 22,81 Sekunden als klare Favoritin, von Seiten des Ausrichters gehen neben Scherzl und Benzinger auch noch Svenja Pfetsch, die Dritte aus der 4 x 200-Meter-Goldstaffel der Hallen-DM in Leipzig, und die pfeilschnelle U20-Jugendliche Viola John in die Blöcke. Die vier LGSWM-Damen werden gegen Ende der Veranstaltung auch noch als Staffel eine möglichst perfekte Vorstellung auf die Bahn zaubern, um die Norm für die DM in Berlin über 4 x 100 Meter abhaken zu können.
Zwei ungewohnte Gesichter kann man beim Ludwig-Jall-Sportfest über 400 Meter erleben. Christina Hering, mehrfache Deutsche 800-Meter-Meisterin, und ihr Pendant über 1500 Meter, Katharina Trost, wollen über die Stadionrunde ihre Schnelligkeitshärte auf den Prüfstand stellen. Mit der Ukrainerin Alina Lohvynenko (51,19 Sekunden) steht eine ernstzunehmende Konkurrentin auf der Bahn, die den beiden Lokalmatadorinnen alles abverlangen sollte.
Die Sprintphalanx der Männer der LG Stadtwerke München kann sich beim Ludwig-Jall-Sportfest leider nicht in gewohnter Stärke präsentieren. So zog sich Hallen-WM-Halbfinalist Aleksandar Askovic bei seinem ersten Weitsprung-Wettkampf eine komplizierte Verletzung zu, deren andauernder Heilungsprozess einen Start im Dantestadion unmöglich macht, während Fabian Olbert derzeit noch keine Wettkämpfe bestreitet. So ruhen die Hoffnungen auf Florian Knerlein, der in seinem ersten U23-Jahr wieder an die Form von 2019 anknüpfen will, als er drei Mal Gold bei den Deutschen Jugendmeisterschaften holte, und 400-Meter-Läufer Vincente Graiani. Knerlein muss sich über 100 mit starker internationaler Konkurrenz wie den Jamaikanern Oshane Bailey (10,11 Sekunden), Michael Bentley (10,19 Sekunden) und Anthony Carpenter (10,25 Sekunden) sowie den Briten Dominic Ashwell (10,21 Sekunden) und Oliver Bromby (10,22 Sekunden), dem Österreicher Markus Fuchs (10,31 Sekunden) oder dem Türken Kayhan Özer (10,33 Sekunden) auseinandersetzen. Über 200 Meter werden sich der Nigerianer Sike Azu-Irondi (20,85 Sekunden) und Fuchs (20,88 Sekunden) ein heißes Duell liefern.
Vincente Graiani trifft in seinem zweiten 400-Rennen nach dem Start beim Anhalt-Meeting in Dessau am Mittwochabend auf den ukrainischen 46,09-Sekunden-Läufer Danylo Danylenko, dem er vor wenigen Tagen im tschechischen Cheb über 300 Meter nur hauchdünn unterlegen war, sowie Philip Krenek (Tschechien; 47,22 Sekunden). Zu beachten sein wird auch LGSWM-Viertelmeiler Samuel Werdecker, der sich nach langer Verletzungspause endlich wieder seiner starken Form aus der Vor-Corona-Zeit nähert. Graiani, Werdecker, Knerlein und U23-Staffel-Europameister Yannik Wolf wollen über 4 x 100 Meter ebenfalls versuchen, die DM-Norm für Berlin einzutüten. Wenn alle Wechsel klappen, sollte dies kein unüberwindbares Hindernis darstellen.