Vorschau: Die Finals in Berlin

Quantität, aber auch viel Qualität: Unter dieses griffige Motto kann man das Aufgebot der LG Stadtwerke München bringen, das am kommenden Wochenende, 25./26. Juni, im prunkvollen Berliner Olympiastadion seinen Hut bei der Verteilung der diesjährigen deutschen Meistertitel in den Ring werfen möchte. Allein 18 Sportlerinnen und Sportler mit dem schwarzen Trikot der LGSWM gehen am Samstag und Sonntag in ihren Spezialdisziplinen an den Start. Dass einige von ihnen dabei sogar in den Kampf um Medaillen und den obersten Platz auf dem Treppchen eingreifen werden, verleiht dem Auftritt der Leichtathleten aus der bayerischen Landeshauptstadt an der Spree zusätzliche Brisanz. Schließlich geht es in diesem Jahr um nichts weniger als die Fahrkarten zu den Weltmeisterschaften in Eugene (USA) vom 15. bis 24. Juli und natürlich die mit Spannung erwarteten Europameisterschaften „dahoam“ im Münchner Olympiastadion vom 15. bis 21. August.

Relativ sicher bei beiden Großereignissen mit dabei sein dürften die beiden Aushängeschilder der Münchner Leichtathletik, Christina Hering und Katharina Trost, über 800 beziehungsweise 1500 Meter. Vor allem Hering ist über die beiden Stadionrunden eine sichere Bank für alle Tippspiel-Fans, denn alles andere als ein Sieg im Finale der Frauen wäre eine faustdicke Überraschung. Vor allem mit dem Hintergrundwissen, dass die jahresschnellste Deutsche über die zwei Stadionrunden, Herings Trainingskollegin Trost für Berlin nur über die 1500 Meter gemeldet hat. Dort dürfte es die 27-jährige Grundschullehrerin allerdings nicht leicht haben, ihren Hallentitel von Leipzig auch im Freien zu wiederholen. Hanna Klein (LAV Stadtwerke Tübingen) schob sich kürzlich in Marseille an Trost vorbei an die Spitze der deutschen Bestenliste. Auch wenn Konstanze Klosterhalfen (TSV Bayer 04 Leverkusen) wegen einer Corona-Infektion passen muss, meldet auch Caterina Granz (LG Nord Berlin) bei ihrem ersten Saisonrennen Ansprüche auf den Titel an.

Ein weiteres heißes Eisen hat die LG Stadtwerke München im Hochsprung der Männer im Feuer. Hier möchte Tobias Potye unbedingt seinen Titel aus dem Vorjahr verteidigen. Der 27-Jährige ist derzeit wieder gut in Schuss und hat mit 2,25 Meter sowie einer Reihe von vielversprechenden Versuchen über größere Höhen bereits angedeutet, dass in diesem Jahr noch eine Menge möglich sein sollte. Allerdings gilt es dafür zunächst, den amtierenden Europameister Mateusz Przybylko (TSV Bayer 04 Leverkusen) in Schach zu halten, der sich nach einer längeren Durstphase mit 2,26 Meter langsam wieder seiner früheren Form nähert.

Für eine Überraschung sorgen möchte die 4 x 100-Meter-Frauen-Staffel der LG Stadtwerke München, die sich vor kurzem in Ingolstadt mit einer reinen U 23-Besetzung (mit Viola John und Hannah Fleischmann) auf den vierten Rang in Deutschland vorschob. In Berlin stehen darüber hinaus noch Amelie-Sophie Lederer und Marina Scherzl zur Verfügung. Während Lederer, die Deutsche 60-Meter-Hallenmeisterin von 2021, nach ihrer Verletzungspause ihren ersten Wettkampf mit einer Sonderstartgenehmigung bestreitet und normalerweise nicht in den Kampf um die Medaillen eingreifen sollte, hoffen Scherzl, aber auch ihre jüngere Kollegin Tina Benzinger auf eine erneute Steigerung ihrer persönlichen Bestzeit. Beide gehen neben ihrer Vereinskameradin Svenja Pfetsch zudem über 200 Meter in die Blöcke.

Arg gerupft präsentiert sich in diesem Sommer das Sprinterlager bei den LGSWM-Männern. Hallen-WM-Halbfinalist Aleksandar Askovic, U 20-Staffeleuropameister Fabian Olbert oder der Silbermedaillengewinner der vorjährigen U 23-DM, Florian Knerlein – alle fehlen sie entweder wegen Verletzung oder Krankheit. Auch Yannick Wolf steigt mit einer Sonderstartgenehmigung erst in Berlin in den Wettkampfbetrieb ein, dann aber gleich mit dem vollen Programm über 100, 200 sowie der 4 x 100-Meter-Staffel. Der Sprung in den Endlauf über 100 Meter wäre für Wolf angesichts zahlreicher kleinerer Wehwehchen im Vorfeld durchaus ein Erfolg.

Ebenfalls mit einem Platz im Finale liebäugeln die beiden starken Viertelmeiler der LGSWM, Samuel Werdecker und Vincente Graiani. Beide reisen in guter Verfassung in die deutsche Hauptstadt, Werdecker gelang es bei der Sparkassen-Gala in Regensburg, zum ersten Mal unter 47 Sekunden zu bleiben, und Graiani steht ihm nach einem etwas holprigen Saisonbeginn mittlerweile kaum nach. Auch sie werden zusammen mit Yannick Wolf und Dreispringer (aber auch Bob-Anschieber) Paul Walschburger eine 4 x 100-Meter-Staffel im Olympiastadion bilden, die schon mit einem Platz unter den Top Sechs sehr zufrieden wäre. Sollte sich Vincente Graiani nicht für den 400-Meter-Endlauf qualifizieren, wird er am Sonntagnachmittag noch über 200 Meter antreten, einer Disziplin, in der er im Februar bei der Hallen-DM in Leipzig als Vierter knapp eine Medaille verpasste. Paul Walschburger, der sich in der Tiefe seiner Seele immer noch wie ein Dreispringer fühlt, will endlich wieder über 15 Meter springen und sich im vorderen Drittel des Feldes platzieren.

Gespannt sein darf man auf Luisa Tremls DM-Debüt als Speerwerferin. Die ehemalige Mehrkämpferin, die auch schon als Hochspringerin im Jugendalter das Nationaltrikot trug, hat sich mit dem 600-Gramm-Gerät extrem verbessert und kann schon Weiten von über 52 Meter vorweisen. Aus Amerika haben die 400-Meter-Hürden-Sprinterin Lisa Marie Petkov und Kugelstoßer Martin Knauer den Sprung über den großen Teich gewagt, um bei der DM dabei zu sein. Sie wollen unbedingt ins Finale beziehungsweise in den Endkampf einziehen. Dasselbe hofft Linus Limmer im Speerwerfen, wo er nach der verletzungsbedingten Absage von Johannes Vetter mittlerweile auf Rang sechs der Meldeliste zu finden ist.

Zwei Comebacks gibt es ebenfalls: Nach langer Verletzungspause sucht Hochspringerin Lavinja Jürgens wieder den Anschluss an die nationale Spitze. Und Hammerwerfer Simon Lang, der sich eigentlich schon vom Leistungssport verabschiedet hatte, schaffte beim Leichtathletik-Abend im Dantestadion Anfang Juni auf Anhieb wieder die Norm. Also: Auf nach Berlin!

 

Foto: Simon Holländer