Am zweiten Tag der seit Freitag zur Austragung kommenden Deutschen Meisterschaften im Braunschweiger Eintracht-Stadion gewann Hammerwerfer Johannes Bichler von der LG Stadtwerke München überraschend die Silbermedaille. Der Deutsche Meister von 2018 hat seit dem Vorjahr seine Prioritäten abseits des Leistungssports gesetzt und den Winter über coronabedingt kaum trainieren können. Demzufolge konnte der 30-jährige seinen Erfolg in einem, wie er sagte, „Mega-Wettkampf“ selbst kaum glauben. Zudem erreichten mit Dreispringer Paul Walschburger und 100-Meter-Sprinter Yannick Wolf zwei Münchner die Finalplätze fünf und sechs. Überzeugend präsentierte sich auch Christina Hering und Katharina Trost auf den beiden Stadionrunden, die mit souveränen Halbfinalsiegen einiges für den Abschlusstag erwarten lassen.
Nach großen Zweifeln im Frühjahr zu DM-Silber
Nach seinem vierten Platz an selber Stelle im Vorjahr hatte Johannes Bichler seinen Rücktritt vom Leistungssport erklärt. Neben seinem Titelgewinn 2018 in Nürnberg, seiner Vizemeisterschaft 2013 und dritten Plätzen in den 2012, 2017 und 2019 wollte sich der künftig verstärkt um Familienplanung und seine berufliche Karriere als Bauingenieur kümmern. Dass er seine Leidenschaft für den Hammerwurf auch künftig nicht ganz ausblenden könne, sagte er gleich dazu. Doch die Corona-Krise verkomplizierte ihm selbst ein ambitioniertes Training. Den gesamten Winter über, wo sämtliche Grundlagen für die lediglich im Sommer angesetzten Hammerwurf-Wettbewerbe gelegt werden, hatte der Nicht-Kaderathlet weder Zugang zu Krafttraining noch zu einer Wurfgelegenheit. Ohne große Erwartungen nahm er folglich seinen Hammer erst wieder nach den ersten Lockerungen im Frühjahr in die Hand – „und es lief überraschend gut“. 65 Meter weit hätte er in der Vorbereitung auf seinen Saisoneinstieg in Braunschweig konstant werfen können und das zeigte er auch prompt im Wettkampf: Mit 64,86 Metern im ersten Versuch schob er sich im neunköpfigen Teilnehmerfeld auf Position zwei. Dass er sich im vierten Durchgang nochmal um etwa zwei Meter auf 66,99 Meter steigern konnte, hätte er „im Vorfeld nicht für möglich gehalten“. Für den Gewinn der Silbermedaille wäre diese Steigerung nicht mal nötig gewesen. Mehr als drei Meter trennten Bichler am Ende vom Dritten Konstantin Steinfurth (63,86 Meter, LG Eppstein-Kelkheim). Mit Tristan Schwandke gab es einen ungefährdeten Hammerwurf-Sieger. Der Hindelanger entschied mit einer Siegweite von 73,52 Meter bereits zum dritten Mal in Folge die Meisterschaft für sich.
Walschburger springt bei seinem DM-Comeback auf Rang fünf
Am 4. August 2019 nahm Dreispringer Paul Walschburger zuletzt an einer deutschen Meisterschaft teil. Im Berliner Olympiastadion sprang er trotz eines Bänderrisses im Sprunggelenk mit 14,83 Meter auf Rang sieben. Etwas mehr als 21 Monate sollten vergehen, bis er sich mit beachtlichen 15,47 Meter Mitte Mai zurückmeldete. Mit exakt dieser Weite hat Felix Mairhofer (MTG Mannheim) nun am Samstag DM-Bronze gewonnen. Dabei war es Walschburger, der im fünften der sechs Durchgänge mit einem Sprung auf 14,99 Meter auf den dritten Rang geklettert war. Auch dank aufkommenden Rückenwinds erreichten fünf der acht Teilnehmer ihre Tagesbestweite im letzten Durchgang. Dem Münchner gelang das nicht und so rutschte er am Ende aus den Medaillenrängen noch auf Rang fünf ab. „Ich muss weiterarbeiten“, erklärte der 23-jährige, der gerne mehr gezeigt hätte, im Anschluss. Den Dreisprung gewann der haushohe Favorit Max Heß (LAC Erdgas Chemnitz) mit einer Weite von 16,51 Metern vor Christoph Garritsen (15,78 Meter, TSV Bayer 04 Leverkusen).
Wolf verbessert sich im 100-Meter-Finale um einen Rang zum Vorjahr
Keinen Zweifel ließ Kurzsprinter Yannick Wolf daran aufkommen, dass er sich auch in diesem Jahr wieder für das 100-Meter-Finale der Deutschen Meisterschaften qualifizieren wollte. Und so sicherte er sich als Zweiter seines Halbfinals in 10,41 Sekunden das große „Q“. Im Finale der schnellsten Deutschen zum Ende des Wettkampftages lief der 21-jährige Münchner dann in 10,37 Sekunden auf den sechsten Platz – bei seiner Final-Premiere im Vorjahr an selber Stelle wurde er Siebter. Richtig zufrieden war Wolf als schnellster Bayer mit seinem Rennen nicht, sei er doch „mal wieder einfach zu verkrampft“ gewesen. Den DM-Titel gewann Marvin Schulte (SC DHfK Leipzig) in 10,19 Sekunden.
Das Glück zweier Läufe blieb Wolfs Vereinskollegen Fabian Olbert verwehrt. Der 20-jährige sprintete in 10,54 Sekunden auf Rang drei seines Halbfinals und hätte demnach nur über die Zeit in den Endlauf aufrücken können. Eine Zehntelsekunde fehlte ihm schließlich dazu.
Im Halbfinallauf mit der späteren Deutschen Meisterin Alexandra Burghardt (SV Gendorf Wacker Burghausen) und der Vizemeisterin Lisa Mayer (Sprintteam Wetzlar) lief die Münchnerin Tina Benzinger in 11,84 Sekunden auf Rang fünf. Für den Finaleinzug wäre eine Platzierung unter den ersten Zwei oder eine tiefe 40er-Zeit nötig gewesen. Die letztjährige Jugendliche hatte sich erst kürzlich auf 11,64 Sekunden gesteigert und wird daran nun für die Deutschen U23-Meisterschaften wieder anknüpfen. Dort wird die 20-jährige dann voraussichtlich auch die 200 Meter in Angriff nehmen. Am Sonntag in Braunschweig verzichtete sie mit leichten muskulären Problemen aus Vorsichtsgründen auf einen Start in dieser Disziplin.
Hering & Trost mit zwei Halbfinalsiegen ins Finale
Christina Hering und Katharina Trost erreichen jeweils als Siegerinnen ihrer Rennen souverän den Endlauf. Nach dem Startschuss des ersten Halbfinallaufs setzte sich Jana Reinert aus der Münchner Mittelstreckentrainingsgruppe an die Spitze des Feldes und sorgte für die Pace. Sie passierte nach 60,63 Sekunden die 400-Meter-Marke. Etwa 250 Meter vor dem Zielstrich überholte die bis dahin zweitplatzierte Hering ihre Trainingspartnerin und brachte die Führung kontrolliert nach Hause. Ihre Siegerzeit betrug 2:03,18 Minuten. Reinerts mutiger Auftritt wurde leider nicht belohnt. 200 Meter vor dem Ziel verließen sie die Kräfte, sodass sie das Rennen nach 2:07,43 Minuten als Sechste beenden musste. Für den Finaleinzug fehlten ihr knapp eineinhalb Sekunden.
Wie Hering ließ auch Katharina Trost nichts anbrennen. Im zweiten Halbfinale startend, sparte sie auf der ersten Runde Kraft im Windschatten von Sarah Fleur Schulze vom VfL Eintracht Hannover. Die 400-Meter-Durchgangszeit der Niedersächsin betrug flotte 59,86 Sekunden. Wie zuvor auch Hering übernahm Trost auf der Gegengerade die Führung und gab sie bis ins Ziel nicht mehr ab. Ihre Zeit betrug 2:04,20 Minuten. Der Kampf um die Medaillen findet am Sonntag um 15:05 Uhr statt.
Live-Ergebnisse der Deutschen Meisterschaften gibt es hier. Ab 14 Uhr sendet das ZDF einen Livestream aus dem Eintracht-Stadion.
Beitragsbild: Theo Kiefner