Zwei Titel und zwei Silbermedaillen gehen am Sonntag von den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Braunschweig auf die Rückreise in die bayerische Landeshauptstadt. Christina Hering und Katharina Trost fahren für die LG Stadtwerke München einen überragenden Doppelsieg über 800 Meter ein. Tobias Potye gewinnt dank einer erheblichen Steigerung seiner Saisonbestleistung seinen ersten DM-Titel bei den Männern. Bereits am Samstag holte Hammerwerfer Johannes Bichler im Braunschweiger Eintracht-Stadion überraschend die Silbermedaille (eigener Bericht). Finalplätze erreichten zudem Dreispringer Paul Walschburger und 100-Meter-Sprinter Yannick Wolf. Bei den Deutschen Meisterschaften an selber Stelle im Vorjahr hatte die LG SWM mit einem Dutzend teilnehmender Athletinnen und Athleten einen kompletten Medaillensatz gewonnen. Dieses Abschneiden konnte heuer durch zehn Münchner Aktive übertroffen werden.
Überragender Doppelsieg von Hering und Trost über die doppelte Stadionrunde
Nach ihren souveränen Vorlaufsiegen am Vortrag bestimmten die beiden Münchener 800-Meter-Läuferinnen Christina Hering und Katharina Trost auch im Finale das Geschehen. Hering holte in 2:02,48 Minuten ihren insgesamt siebten Freiluft-DM-Titel auf dieser Strecke, den sechsten in Serie. Dank einer stark gelaufenen Zielgerade machte Trainingspartnerin Katharina Trost den Münchner Doppelerfolg perfekt. Sie lief mit einer Zeit von 2:02,92 Minuten als Zweite über den Zielstrich und holte sich damit nach 2019 ihre zweite deutsche Vizemeisterschaft. Ein Video der letzten Runde des Finalrennens gibt es hier.
In dem von Taktik geprägten Rennen fand sich zunächst Mitfavoriten Tanja Spill (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen) an der Spitzenposition, bevor sich Majtie Kohlberg (LG Kreis Ahrweiler) eine Runde vor Schluss nach vorne schob. Hering hielt sich zu diesem Zeitpunkt, an zweiter Stelle laufend, geschickt aus allen Positionskämpfen heraus und wählte eine ähnliche Taktik wie am Vortag im Halbfinale: 250 Meter vor dem Ziel setzte sie sich an die Spitze und erhöhte kontinuierlich die Pace. So schüttelte sie nacheinander alle Konkurrentinnen ab. Die Schlussrunde absolvierte die 1,87 Meter große Läuferin in einer Zeit von unter 60 Sekunden. Dank des Titelgewinns und der Erfüllung der sogenannten Olympia-Supernorm von 1:59,50 Minuten im Nominierungszeitraum darf die 26-jährige Athletin von Andreas Knauer und Jonas Zimmermann nun mit den Olympischen Spielen in Tokio planen. Bronze gewann in Braunschweig die Deutsche Hallenmeisterin Tanja Spill (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen) in 2:03,38 Minuten.
In den letzten Jahren habe ich schon oft das Rennen bestimmt und das Tempo gemacht. Heute war der Titel alles, was für mich gezählt hat. Ich wollte nicht ganz vorne, aber in einer guten Position sein. Ich konnte den Angriff auf der Zielgeraden abwehren. Meine Trainingsleistungen stimmen alle, ich denke, dass ich nicht nur eine Zeit unter zwei Minuten, sondern auch eine neue Bestzeit laufen kann. Es muss einfach mal der Tag kommen, an dem es wirklich passt.
Christina Hering von der LG Stadtwerke München nach ihrem achten DM-Finale über 800m
Christina und ich hatten uns nicht vorher nach einer Taktik abgesprochen. Es war ja auch ein Meisterschaftsrennen und da geht es nun mal nur um den Titel. Ich habe vermutet, dass es nicht so schnell wird. Ich wollte dieses Mal nicht vorne Tempo machen, weil ich das schon öfters versucht hab und dann am Ende immer nur Zweite geworden. Ich habe vielleicht einmal eine Lücke verpasst, aber ansonsten bin ich zufrieden mit dem Rennverlauf. Ich werde noch einige Angriffe auf die Norm starten. Ich glaube auf jeden Fall, dass ich die Norm draufhabe. Ich versuche aber, den Druck nicht so nah an mich rankommen zu lassen, denn es sind jetzt schon fast zwei Jahre in denen man das versucht. Aber der Druck ist natürlich da.
Katharina Trost von der LG Stadtwerke München nach dem Gewinn ihrer zweiten Vizemeisterschaft
Die dritte Münchnerin im 800-Meter-Wettbewerb, Jana Reinert, verpasste am Samstag den Finaleinzug. Im ersten Halbfinallauf mit Hering setzte sich Reinert an die Spitze des Feldes und sorgte für die Pace. Sie passierte nach 60,63 Sekunden die 400-Meter-Marke. Doch der mutige Auftritt der 23-jährigen wurde leider nicht belohnt. 200 Meter vor dem Ziel verließen sie die Kräfte, sodass sie das Rennen nach 2:07,43 Minuten als Sechste beenden musste. Für den Finaleinzug fehlten ihr knapp eineinhalb Sekunden.
Potye lässt Tief hinter sich und pusht sich zum ersten Titel
Wenngleich er nach seinen Vizemeisterschaften von 2018 und 2020 durchaus titelreif war, so war im Vorfeld der DM doch wenig Optimistisches von Tobias Potye zu hören. Nach seinem vierten Platz bei den Halleneuropameisterschaften in Toruń (Polen) erkrankte der 26-jährige an COVID-19. Knapp drei Wochen war er komplett ausgebremst und verpasste gar ein erstes DLV-Trainingslager. Nach entsprechend verkürzter Vorbereitung fiel der Start in den Olympia-Sommer mäßig aus. 2,05 zum Auftakt in Leverkusen, 2,10 Meter dann an Pfingsten in Rehlingen. Eine altbekannte Knieverletzung machte sich zudem wieder stärker bemerkbar. Für die DM in Braunschweig entschied Potyte offenbar, all dies hinter sich zu lassen. Bis 2,16 Meter blieb er fehlerfrei und ging in Führung. Als der Europameister von 2018 Mateusz Przybylko diese Höhe nicht überqueren konnte, stand bereits fest, dass der Münchner eine Medaille gewinnen würde. Erstmals in diesem Sommer machte sich Potye also an die 2,20 Meter – die er im Drittversuch meisterte (im Video). Da Falk Wendrich (LAZ Soest) und Jonas Wagner (Dresdner SC 1898) an dieser Höhe scheiterten, konnte Potye seinen ersten Titelgewinn eintüten. Die 2,23 Meter ging er zwar noch an, doch viel wichtiger wird sein, dass er in nächsten Wochen gemeinsam mit Trainer Sebastian Kneifel weitere Weltranglistenpunkte für das Olympia-Ticket sammelt.
Ich bin sehr zufrieden. Ich hätte lieber keine drei Versuche über 2,20 Meter gebraucht und klar, nachdem ich gewonnen hatte, ist ein bisschen die Spannung abgefallen. Meine Patellasehne hat mir bis heute einen Strich durch die Rechnung gemacht. Heute konnte ich das ein bisschen überwinden und so kann es jetzt weitergehen. Mein starkes Abschneiden bei der Hallen-EM hat mir viel Selbstvertrauen gegeben, auch wenn die Coronainfektion mir danach einen Dämpfer verpasst hat. Vielleicht hätte es heute noch ein bisschen höher gehen können, wenn wir uns gegenseitig hochgeschaukelt hätten. Aber Sieg ist Sieg.
Tobias Potye von der LG Stadtwerke München nach dem Gewinn seines ersten Titels bei den Männern
Knapp am Endkampf vorbeigeschrammt ist am Sonntagvormittag Kugelstoßer Martin Knauer. Er war erst Mitte der Woche von seinem Auslandsstudium an der Queens University of Charlotte zurückgekehrt. Die 17,17 Meter des 23-jährigen genügten diesmal nicht für drei weitere Versuche. Mit Platz neun musste er sich am Ende begnügen.
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Beitragsbild: Theo Kiefner