„Der Start war nicht perfekt.“ – Lederers Meistercoach Patrick Saile im Interview

Amelie-Sophie Lederer überraschte am Samstagabend in der Dortmunder Helmut-Körnig-Halle die nationale Sprintszene. Zwei persönliche Bestleistungen bescherten der Athletin der LG Stadtwerke München souveräne Siege im Halbfinale und Finale über 60 Meter. In 7,12 Sekunden, gleichbedeutend mit einem geteilten zehnten Platz der „Ewigen“ deutschen Hallenbestenliste, kürte sie sich zur Deutschen Hallenmeisterin 2021. Es ist ihr bislang größter Erfolg auf Bundesebene. Nie zuvor war eine Athletin eines bayerischen Vereins auf dieser Strecke schneller. Ihre Hallensaison ist mit diesem Erfolg wohl noch nicht beendet: Die Qualifikationsanforderung von 7,25 Sekunden für die Hallen-EM vom 4.-7. März im polnischen Toruń hat Lederer pulverisiert.

Seit Herbst 2018 arbeitet die heute 26-jährige mit Trainer Patrick Saile zusammen. Dieser war bis Herbst 2020 als Teamleiter Sprint im Bayerischen Leichtathletik-Verband in München zu Hause, bevor er zum Nationaltrainer der Schweiz berufen wurde. Aufgrund der parallel stattfindenden Schweizer Hallenmeisterschaften konnte Saile zwar nicht in Dortmund sein, hat den Wettkampf seiner Athletin jedoch bestmöglich verfolgt. Wir haben unmittelbar nach Lederers Titelgewinn mit dem Erfolgscoach gesprochen.

Amelie-Sophie Lederer mit Trainer Patrick Saile im gemeinsamen Trainingslager im Sommer 2020 auf Teneriffa

  

Amelie ist Ende Januar mit persönlicher Bestleistung von 7,26 Sekunden über 60 Meter in die Saison eingestiegen, was ja schon ein super Auftakt war. Natürlich wünscht man dann sich im Rahmen einer Meisterschaft nochmal eine kleine Steigerung, die dann mit 7,20 Sekunden im Halbfinale schon recht deutlich ausgefallen ist. Im Finale rennt sie dann diese unglaubliche Zeit. Hättest du damit gerechnet?

Ich habe mit einer 20er-Zeit gerechnet, denn im Training hat sie oft gezeigt, dass sie das EM-Limit draufhat. Nach den 7,20 Sekunden im Halbfinale habe ich natürlich gehofft, dass sie diese Zeit im Finale nochmal unterbieten kann. Ich wusste ja, dass Dortmund eine schnelle Piste ist. Aber eine 7,12 hätte ich auch nicht erwartet, nein.

Das Frauen-Finale wurde ja zunächst wegen eines angeblichen Fehlstarts zurückgeschossen. Bist du da nervös geworden?

Ja, etwas. Sie hatte schon ein paar Rennen, in denen sie gezuckt hat.

Wie würdest du den Lauf in seinen einzelnen Phasen bewerten?

 Der Start war nicht perfekt. Beschleunigung und Pick up waren dann so wie wir es trainiert haben. Ich denke, da konnte sie sich auch etwas vom Feld lösen. Und im fliegenden Bereich kann sie erst seit dieser Saison endlich das umsetzen, was wir seit zwei Jahren täglich trainieren. Ordentliches Unterfersen, optimale Hüftposition und die Kombination von Schrittlänge und Frequenz.

Amelie ist aktuell die drittbeste Sprinterin Europas auf dieser Strecke. Was traust du ihr für die Hallen-EM in Toruń zu, für die sie natürlich erst noch nominiert werden muss?

Ich hoffe natürlich, dass sie ihre Performance von den Deutschen Hallenmeisterschaften nochmals wiederholen kann. Dann ist alles möglich, zumal auch Dina Asher-Smith (Anm. der Red.: mit 7,08 Sekunden derzeit Europas Schnellste) wegen einer Verletzung auf die Indoor-EM verzichten muss.

Amelie-Sophie Lederer von der LG Stadtwerke München
In einem hochkarätig besetzten Meisterschaftsfinale kam Amelie-Sophie Lederer beim Gewinn ihres ersten nationalen Einzeltitels mit sieben Hunderstelsekunden Vorsprung ins Ziel, Foto: Theo Kiefner

  

2020 hat Amelie bei der Hallen-DM in Leipzig Silber über 200 Meter gewonnen, dieses Jahr den Titel über 60 Meter. Habt ihr jeweils einen besonderen Fokus auf die Halle gelegt?

Nein. Wir haben uns wie immer vorbereitet und einfach geschaut, dass wir uns stetig in jedem Bereich verbessern.

Gab es in der letzten Vorbereitung etwas, an dem ihr speziell gearbeitet habt?

Nein, nichts Spezielles. In der direkten Vorbereitung haben einfach darauf geachtet, dass der Hüftbereich sauber läuft und dass sie eine gute Schrittlänge laufen kann.

Es sind bewegte Wochen für Amelie. Ende Januar hat sie erst ihre fünfjährige Ausbildung zur Polizeimeisterin abgeschlossen. Hast du das Gefühl, dass dadurch Druck von ihr abgefallen ist?

Auf jeden Fall. Die Vorbereitung war aus ihrer Sicht relativ verhalten. Sie kam nach den letzten Prüfungen zu mir in die Schweiz und meinte, dass sie eventuell auf die Hallensaison verzichten möchte. Aber das hatte sie im Vorjahr in Bezug auf die 200 Meter auch schon gesagt und war dann doch erfolgreich. Ab dem zweiten Training in Zürich wusste ich, dass sie den Schritt öffnen kann und eine neue Bestzeit möglich ist. Die erfolgte dann auch im ersten Rennen in Magglingen (Anm. der Red.: 7,26 Sekunden vom 30.1.). Das Ziel, EM-Norm zu laufen, war also klar.

Beitragsbild: Theo Kiefner