Vier Münchner Kalenjin

altHabari asubuhi aus Iten (Guten Morgen auf Swahili). Ingalena Heuck, Michael Wilms (beide LG Stadtwerke München), Simon Schwarz (TSV Gräfelfing) und Clemens Bleistein (LAV Tübingen) bereiten sich vom 13.03 bis 04.04 im kenianischen Hochland auf die kommende Saison vor. Hier gibts den Trainingslagerbericht.

altEin Trainingscamp in Kenia – Für alle von uns ist das eine Premiere. Die letzten Jahre waren wir zwar um diese Zeit schon öfter in Afrika unterwegs (Marokko), doch heuer sollte es zur Läufernation Nr. 1 gehen. Über unseren Sports- und Läuferfreund Christophe Chayriguet, der hier ganz in der Nähe als Deutsch- und Sportlehrer tätig ist, sind wir auf Iten gekommen. Ein Ort im Westen Kenias, den viele Langstreckenläufer für die Olympiavorbereitung bereits genutzt haben und nutzen. Mo Farah und Paula Radcliffe waren beispielsweise schon hier. Untergebracht sind wir in der für afrikanische Verhältnisse sehr luxuriösen Unterkunft  der Weltklasse- Läuferin Lornah Kiplagat.

altGanz aktuell wohnt bei uns der zweitschnellste 800m Läufer der Welt,  Abubaker Kaki. In unserem Kraftraum sind wir bereits auf David Rudisha, Weltrekordhalter auf derselben Distanz oder auch auf Marathonweltmeister Abel Kirui mit seinem bekannten Trainer Renato Canova gestoßen.
Infos zur Unterbringung unter http://www.lornah.com/

altDie Anreise war mit drei Flügen (München-Doha, Doha-Nairobi, Nairobi-Eldoret), einer Taxifahrt und damit fast 24 Stunden „nonstop on tour“ schon sehr anstrengend. Die dünne Luft, die hier oben in Iten herrscht, auf 2.4 km Höhe über den Meeresspiegel, erschwerte uns die Anpassung an den ersten Tagen zusätzlich. Songok, unser Ansprechpartner im High Altitude Training Centre, in dem wir untergebracht sind, meinte nach unserer Ankunft: „In two days you gonna be kenyans“. Tatsächlich merkten wir nach einigen altTagen mit angezogener Handbremse, wie die Pulswerte auf unseren Uhren langsam das Normal-Level erreichten. Wir sind zwar noch keine Kenianer, aber zumindest können wir mittlerweile ordentlich trainieren, auch wenn wir aufgrund der bergigen Laufstrecken und des geringen Sauerstoffgehalts in der Luft nicht die Geschwindigkeiten erreichen, mit denen wir normalerweise in München unterwegs sind. Landschaftlich ist es aber traumhaft. Die lehmigen Wege scheinen endlos zu sein – abgesehen von der etwas staubigen und trockenen Luft ein Traum für jeden Langstreckenläufer.

Hier oben dreht sich wirklich (fast) alles ums Laufen: Unzählige altKenianer trainieren für den Traum, ihr Land einmal verlassen und an internationalen Wettkämpfen teilnehmen zu können und damit einen Weg aus der allgegenwärtigen Armut zu finden. Viele Athleten aus dem Stamm der in unserer Region beheimateten „Kalenjin“ haben den Sprung schon geschafft und sind in der Weltklasse angekommen. Allen voran unsere Gastgeberin Lornah (sie startet mittlerweile für die Niederlande), die mehrere Weltrekorde (5km Straße, 10 Meilen, 20km Straße und Halbmarathon) aufgestellt hat altund sich mit den eingenommenen Geldern hier ein wahres Trainingseldorado geschaffen hat. Für uns Sportler mangelt es im HATC an nichts: Ausgezeichnete Verpflegung, mit landestypischen Spezialitäten (z.B. Ugali = leckerer Maisbrei), einen sehr gut ausgestatteten Kraftraum mit Stepper, Ergometer und einigen Geräten, sowie einem erfrischenden Pool, der zum Alternativ-Training  und zur Regeneration genutzt werden kann. ­­­­­­

altEinige Tempoprogramme absolvieren wir auch im Stadion, das sich in zwei Kilometer Nähe befindet. Im Iten-Track gibt es kein Tartan,
wie man das aus den Trainingsstätten in der Heimat gewohnt ist – Eine Bahn aus Asche formt die ca. 400m (Die Angaben schwanken von 398 bis 409m).  Die etwas krummen Bahnen sind mit weißer Kreide aufgemalt worden. Die Innenbahn ist durch die hohe Beanspruchung (Dienstagvormittags trainieren bis zu 100 Kenianer dort) ziemlich abgenutzt. Dadurch ist dort eine Art Rinne entstanden, die einer Bobbahn gleicht. Die Atmosphäre, die altan diesem Platz herrscht, ist unbeschreiblich. Nicht nur auf der Bahn, auch drumherum, ereignet sich einiges Skurriles. Es existiert ein Volleyballfeld, auf dem wirklich mit hohem Niveau gespielt wird. Ein Fußballfeld mit selbst gebauten Toren und eine unvorstellbare Stabhochsprunganlage zieren das Stadion. Diese Anlage kommt ohne Matte aus – lediglich Holzschnitzel, ähnlich wie auf einer Finnenbahn, sollen die Landung dämpfen. Noch konnten wir keinen wagemutigen Stabhochspringer entdecken.

altAber als jüngst  dort ein Schulwettkampf stattfand, wurden wir Zeugen, wie die Teilnehmer die „Matte“ für ihren Hochsprungwettkampf nutzten. Ein sehr beeindruckendes Schauspiel, wie die talentierten Kenianer in einer Art Kung Fu-Technik mit beiden Beinen voraus über Höhen von ca. 1,80m sprangen. Das absolute Highlight für uns waren aber natürlich die Laufentscheidungen. Bei den „1500m der Boys“ wollten Clemens und ich unbedingt „Live“ dabei sein und stellten uns mit an die Startlinie: Nach zunächst drei vergeblichen Startversuchen stürmten wir zusammen mit ca. 25 weiteren Kenianern los. Obwohl wir uns ganz hinten im Feld einsortierten, wurden die ersten 400m von uns unter 60s passiert. Da wir am Nachmittag noch Tempoläufe zu absolvieren hatten, war das Rennen für uns an dieser Stelle zu Ende. Der Sieger lief in einem fulminanten Rennen nach sensationellen 3:42min ins Ziel. Auch die jungen 5000m-Läufer zeigten Wahnsinns-Leistungen in der Höhe. Der Gewinner hatte am Ende eine Zeit von ca. 14:30min auf der Stoppuhr stehen.

Als Muzungu (Weißer) wird man hier bei den Dauerläufen immer wieder von Kindern angefeuert und teilweise sogar kilometerweit begleitet. Diese Kids laufen mit enormer Leichtigkeit, teilweise barfuß oder mit irgendwelchen kaputten Latschen bekleidet neben uns her. Ständig wird man von über beide Backen lachenden Farmerkindern gefragt: „ How are you?“. Bei einem 400m-Tempoprogramm, das wir wegen des Wettkampfes im Stadion alternativ auf der einzigen flachen Strecke weit und breit in einer kleinen Wohnsiedlung durchziehen mussten, waren so viele Kinder auf der Strecke unterwegs, dass sie einem Hindernisparcour glich. Als sich einer der Halbwüchsigen auch noch den Spaß erlaubte, kurz vor uns einen Auto-Reifen über die Laufstrecke zu rollen, ließ Clemens wahre Hindernistechnik aufblitzen. Den Höhepunkt der Tempo-Läufe der besonderen Art erlebten wir allerdings, als sich Leni nur um Haaresbreite der Kollision mit einer Kuh entziehen konnte, die direkt vor ihr über die Straße getrieben wurde.

Neben den großartigen sportlichen Momenten , die wir hier erleben durften, zum Beispiel der  Begegnung mit Kipchoge Keino, dem Olympia-Sieger von 68 und 72, standen auch kulturelle Highlights an. Der Besuch eines kenianischen Gottesdienstes im ca. 40km entfernten Eldoret  beispielsweise imponierte uns sehr. Allein die Fahrt dorthin in einem Matatu (kenianisches Großraum-Taxi) wurde zum Abenteuer. Als das Auto, das in Deutschland für maximal acht Personen zugelassen worden wäre, mit dreizehn erwachsenen Menschen und einem Baby gefüllt worden war, das halb auf Lenis Schoß sitzen musste, konnten wir uns das Lachen nicht verkneifen. „Kenia-Style“ lautete die simple Antwort des Fahrers. Dafür kostete der etwas unkomfortable Transport lediglich 100 kenianische Schilling, was etwa einem Euro entspricht. Nächsten Donnerstag ist zum krönenden Abschluss noch eine eintägige Safari an den „Lake Baringo“ geplant.

Wenn uns die Flusspferde und die Krokodile in Ruhe lassen, treten wir hoffentlich gut vorbereitet für die freie Wildbahn – sprich, die kommende Freiluftsaison – die Heimreise an. Bis dahin hoffen wir, noch viel von den Kenianern zu lernen und als „echte Kalenjin“ die Stadien und Laufstrecken in Deutschland unsicher machen zu können.

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