Anne Haug: Workshop für die LG SWM

Anne Haug (Olympia London 2012 11. Platz Triathlon, beste deutsche Starterin und Nr. 2 des Weltrangliste 2012) nimmt seit 2007 am Tempotraining des LG SWM- Laufteams teil und war zweimal mit im Trainingslager der Läufer in Milano Marittima. Der Grund hierfür war, die Laufform durch die Trainingsmittel der Laufspezialisten zu verbessern. Auf ihre Wettkampfergebnisse hatte dies sehr positive Auswirkungen im Laufteil.

Durch diese Verbindung konnte ich sie für eine Veranstaltung über ihr Training und die Wettkämpfe gewinnen, um Informationen über ein Meistertraining aus erster Hand zu erhalten. Durch Annes vollen Terminkalender hat sich nur kurzfristig für den 10.12.2012 ein Termin realisieren lassen, der Vorlauf war sehr begrenzt.

Ausgangslage

Nachdem ihre schwächste Teildisziplin, das Schwimmen, durch das Kadertraining der DTU nicht zielgerichtet (Freiwassertraining) gefördert wurde, ging sie 2011 zu Beginn der Olympischen Saison neue Wege und schloss sich der Trainingsgruppe von Darren Smith in Canberra/Australien an. Dies war mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden und der Erfolg (Olympiateilnahme – sie war damals Nr. 54 der Welt) war ungewiss. Nur durch die Unterstützung ihrer Eltern und ihres Lebensgefährten war es möglich, in dem hochprofessionellen Umfeld (Physio, Psychologe, Trainer rund um die Uhr) in einer internationalen Gruppe von Toptriathleten (einzige Deutsche unter 12-14 Athleten) die Grundlagen für den olympischen Traum zu legen. 

Grundlagentraining (Canberra, auf Meereshöhe):

Von November bis März sieht die Trainingswoche (ca. 25 Stunden Training, teilweise 3 Einheiten pro Tag) identisch aus, es erfolgt keine Periodisierung (z.B. 3 Wochen hart, 1 Woche regenerativ), die Intensität ist immer unter der „Schwelle“ (aerob-anaerober Übergang), eine Verbesserung erfolgt nur im Laufe der Monate durch die Dauer des Grundlagenperiode. Interessant war, dass Anne ohne Pulsuhr oder Wattmeter trainiert, die „Schwelle“ wird nur durch das eigene Gefühl festgelegt!

Das Athletiktraining besteht im wesentlichen aus Kraftausdauer-Komponenten, beim Schwimmen mit „paddels“, beim Radfahren kurze intensive Bergbelastungen. Die Rumpfkräftigung erfolgt durch Yoga und Pilates-Übungen. Es wird kein „Eisen im Kraftraum“ verwendet.

Höhentraining – unmittelbare Wettkampfvorbereitung:

Unabdingbar für die Leistungsentwicklung ist das Training in der Höhe um durch den verringerten Sauerstoffpartialdruck die Produktion der roten Blutkörperchen anzuregen.

Die Höhen sind 1400 – 1600m, da man in diesen Höhen fast ohne Leistungseinbußen intensiv trainieren kann. Anne war in den Sommermonaten für die Wettkämpfe in Europa ca. 3 Monate in Davos (1600m) stationiert und reiste 2 – 4 Tage vor den Wettkämpfen an, da sich dieser Zeitraum für sie als ideal für eine gute Wettkampfleistung erwiesen hat. (Bei anderen Mitgliedern der Trainingsgruppe war dies individuell unterschiedlich). Dies wurde bei niederklassigen Wettkämpfen getestet. In dieser Phase erfolgt nun auch eine Periodisierung (anfangs 3 harte/1 ruhiger Tag, dann 2/1-Schema) und das Training ist immer in der Gruppe und ziemlich hart: Laufeinheit z.B. 6 x 1000m progressiv von 3.20 – 3.05 min oder 5 x 1000m schnell mit 200m Spurt-Endabschnitten. Die Trainingsinhalte sind vorher nicht bekannt und werden erst zu Beginn der Einheit bekannt gegeben. Da Darren bei jeder Einheit anwesend ist, kann er gut beurteilen, ob für die Athletin diese Intensität angemessen ist oder eine Erholung benötigt.

Auch im Schwimmen wird meist nur im Freiwasser trainiert, die Schwimmtechnik ist eine andere als im Becken und darauf ausgerichtet, stabiler im Wasser zu liegen und robuster bei Körperkontakten zu sein.

Gruppentraining und Umfeld, Ernährung

Der Schlüssel zum Erfolg war nach Meinung von Anne das permanente Training in einer sehr starken Gruppe. Vor allem ist die Konkurrenzsituation nicht so ausgeprägt, da alle aus anderen Nationen kommen und sich die nationalen Startplätze nicht streitig machen. Sehr wichtig für eine verletzungsfreie Vorbereitung ist der immer anwesende Physio, der nach jedem Training die verklebten Faszien freimacht (kein Weichmassieren – „Hatte immer Tränen in den Augen“) und der rund um die Uhr präsente Darren mit einer Trainingssteuerung „nach Augenschein“. Allerdings kontrolliert er auch sehr penibel das Gewicht und kommt mit der Körperfettzange, ob alles passt. Die Regeneration ist sehr wichtig, unmittelbar nach jedem Training gibt es einen Proteinshake oder auch einen Quark mit Früchten. Anne isst keine Nudeln oder Brot sondern nimmt Getreideprodukte aus hochwertigen Arten (z.B. Quinoa) zu sich, ebenso für die Proteinversorgung ausreichend Fleisch und Fisch und keinen Kaffee (im Gegensatz zu anderen aus der Gruppe). Eine Vitaminsubstitution erfolgt in Form von Vitamin C-Gaben und Zink. Für die aufwendige Zubereitung des Essens steht als Profi die nötige Zeit zur Verfügung.

Ausblick

Durch die überragenden Wettkampfergebnisse hat sich die mutige Entscheidung vom Herbst 2011 als goldrichtig erwiesen und sicher auch bei der DTU einen Denkprozess ausgelöst. Anne wird natürlich den Weg weiter gehen. Die Saison 2013 ist eher als Übergangsjahr zu sehen und um auch an finanziell lukrativen Wettkämpfen teilzunehmen. Ab 2014 erfolgt der Aufbau der Form für die Olympiade 2016 in Rio de Janeiro mit der wichtigen Qualifikation auf nationaler Ebene im Jahr 2015. Morgen fährt sie mit dem DTU-Kader für 10 Tage nach Lanzarote, ab 23.12. ist sie für ein paar Tage in der oberfränkischen Heimat, bevor es Anfang Januar nach Canberra zur Smith-Gruppe geht zum Grundlagentraining. Anne ist 2012 aufgrund der worldcup-Serie dreimal um die Welt geflogen und lebt im wesentlichen mit einer großen Reisetasche und dem im Radsack verpackten Rennrad.

Workshop mit Anne HaugDie trotz der chaotischen Witterungsverhältnisse anwesenden 20 Zuhörer zeigten sich tief beeindruckt von Annes starkem Willen sowie der großen Konsequenz im Handeln und nahmen sicher wichtige Erkenntnisse für ihre persönlichen sportlichen Ambitionen mit. Für den Mai 2013 – wenn Anne erstmals wieder in Deutschland ist – haben wir verabredet, eine ähnliche Veranstaltung mit längerem Vorlauf in einem größeren Rahmen durchführen.

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